Eine Stimme für Wagner          

Mariinsky 2013-2022

 


Mein musikalischer Weg begann im Alter von 5 Jahren mit dem Erlernen des Geigenspiels. Später diente dies als hervorragende Grundlage für den Gesang, sodass ich mit sogenannter Naturstimme und etwas Unterricht einige Konzerte, halbszenische Auftritte und Engagements für Tourneen erhielt.
Dies alles war jedoch aus meiner heutigen Sicht auf Hinterhoftheater Niveau.
Umso mehr überraschte mich die Einladung eines Dirigenten des Mariinsky Theaters, der mich in einer dieser Vorstellungen gehört hatte, für die Akademie der Jungen Opernsänger des Mariinsky Theaters vorzusingen.

Da ich stets alle Möglichkeiten ergreifen wollte, sang ich vor und war erstaunt tatsächlich angenommen worden zu sein.
Ich sollte speziell für das Deutsche Fach und für Wagnerliteratur ausgebildet werden.
Nach nur 4 Monaten an der Akademie, hörte mich Maestro Valery Gergiev als Sieglinde und nahm mich von der Akademie ans Theater als Aspirantin für das Wagnerfach. 
Er gab mir Studieraufträge. 

Dies war eine anspruchsvolle Aufgabe und ich begriff, dass ich um meine Fertigkeiten zu perfektionieren, alles Wesentliche ändern musste - angefangen von der Vokaltechnik, der Ausdauer und Disziplin, genauso aber auch das Repertoire.
Jeder Tag war eine neue Erfahrung und eröffnete neue Möglichkeiten.
Ich erhielt täglich mehrere Korrepetitionen, teilweise 4-5 Stunden täglich und erlernte die Inhalte eines Hochschulstudiums direkt in der Praxis.

Diese Arbeit an mir und meiner Technik war nicht einfach, in
einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht kannte.
Die professionellen Anforderungen waren ungewöhnlich hoch und dadurch stiegen meine eigenen, denn ich erkannte, auf welchem Niveau die musikalische Darstellung im Idealfall sein muss.
Dies verdanke ich Maestro Gergiev, der mich immer wieder angehört und abgefragt und meinen Entwicklungsprozess persönlich beobachtet und begleitet hat.
Dies war einzigartig, denn normalerweise hört er einen Sänger 1 x und entweder dieser bekommt ein Engagement oder er wird abgelehnt.

Es war ein unbeschreibliches Geschenk, dass ich mich an einem solch großen Haus
uneingeschränkt bewegen und informieren konnte, d.h. allen Vorstellungen beiwohnen und alle Probenprozesse ansehen und selbst durchlaufen konnte.

Mit Kollegen des Theaters trat ich bei einigen Orchester Konzerten im Wagner-Fach auf. Auch sang ich mit Orchesterbegleitung auf dem Platz der Künste an Shostakovichs Geburtstag aus seiner
Lady Macbeth von Mzensk oder die Rolle der Agathe aus Webers Freischütz vor knapp 6000 Zuschauern.

In den Wagnerhauptpartien wurde ich am Mariinsky in der Besetzung mit Orchester bühnenreif vorbereitet und durfte diese Partien covern.

Soweit meinen dortigen Kollegen bekannt ist, war ich in der Geschichte des Mariinsky Theaters die einzige Ausländerin (ohne russische Wurzeln), die so gezielt und dauerhaft als Sängerin vorbereitet wurde.

Während meiner München- Aufenthalte studierte ich zudem intensivst mit Richard Trimborn, international bekannt als der Wagnerspezialist schlechthin, der
mit Dirigenten wie Hans Knappertsbusch, Karl Böhm, Wolfgang Sawallisch und Carlos Kleiber gearbeitet hatte. Ebenso war er auch an den Produktionen des Mariinsky Theaters als Berater beteiligt.

Als ich endlich nach langen Lehrjahren in der Erstbesetzung angesetzt wurde, erreichte uns die Corona-Pandemie. Ich konnte nicht mehr einreisen.
Schließlich kam es zur Zuspitzung der politischen Situation...